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Was kannst du für Deutschland tun? Die Wehr-Debatte geht in die falsche Richtung

 Russland malträtiert seit fast 3,5 Jahren die Ukraine. Und in Deutschland wird über die Re-Militarisierung debattiert. Der Militärhistoriker Sönke Neitzel sieht die Gefahr für Deutschland, für Europa in wenigen Jahren[1]. Es wird über die Reaktivierung der Wehrpflicht diskutiert, von Vertreter*innen einer Generation, die im Frieden und Kalten Krieg aufgewachsen ist, aber selbst nie von einem Angriffskrieg bedroht wurden und teilweise selbst den Kriegsdienst verweigerten oder nicht. Die anderen sollen es richten. Die Politik und v.a. die jüngeren Generationen („Z“ und jüngere), als hätten sie mit Klima, Demographie, und Rente nicht schon genug Herausforderungen.

Bei allem Realismus, dass Russland eine neoimperialistische Autokratie ist, und Russland (im engeren Sinne der Regierung) nicht davor zurückschreckt Menschen das Leben zu nehmen, um seine (geo-)politischen Ambitionen durchzusetzen. Dieser Staat tötet Menschen an der ukrainischen Front und weit dahinter: Krankenhäuser, Schulen, Infrastruktur, während Ukraine seine Freiheit und nationalstaatliche Souveränität verteidigt[2]. Und währenddessen wird rege über die Remilitarisierung in Deutschland diskutiert, mit samt der möglichen Konsequenzen für bestimmte Generationen. Der Historiker Neitzel beschreibt in dem Interview (SZ) aber auch die Defizite innerhalb der Bundeswehr. Es reicht von überbordender Bürokratie über militärischen Fehlentscheidungen bis hin zu übermäßigen Vorschriften[3].

Pazifismus versus Realismus?

Bietet der Pazifismus lebensschützende Lösungen. Als Widerstand sieht diese Weltanschauung den zivilen an. Wie soll das aussehen? Russland würde – in aller realistischer Konsequenz eines Gedankenspiels – die eroberte Gesellschaft Deutschlands nicht besser behandeln als die eigene. Die Demokratie wäre damit einfach weg, die Opposition würde juristisch, polizeilich verfolgt und klein gehalten, die freie Meinungsäußerung wäre im Müll, da nur die der russischen Regierung genehmen „Meinung“ möglich wäre. Nicht nur die Medien, auch die Gewerkschaften und NGOs wären ebenso weg oder gleichgeschaltet, die Schulbildung würde post-sowjetisch-imperialistisch gestaltet werden. Und eine weitreichende Militarisierung würde ebenfalls erzwungen werden. Wie würde der zivile Ungehorsam aussehen, wenn Oppositionelle, (liberale) Intellektuelle, Künstler*innen in Gefängnissen oder Arbeitslagern oder Schlimmeren festgesetzt und getötet werden. Der zivile Widerstand würde Leben kosten.

Doch darum geht es doch: das Leben zu schützen. Mit SciFi-Träumerei geht es auch nicht: Lasergeschütze die Panzer von innen erhitzen, Naniten-Granaten die Schutzkleidung der angreifenden Soldaten durchlöchert und dadurch das befriedende Gas diesen in den Körper zuführt, wenn Railguns bereits nach dem Abschuss die Rakete frühzeitig abgeschossen wird. China hat bereits sog. Railguns[4]. Und der Pazifismus funktioniert nur gegenüber demokratischen Eroberern, und nur innerhalb demokratischer Gesellschaften. Und man sieht: ohne Waffen kommen wir leider noch nicht aus. Es stellt sich daher die Frage, welche wir zur Verteidigung nutzen, und wie wir sie einsetzen. Die sich daraus ergebende Frage ist: Wie können wir die Zerstörung von Leben und das Zeug drumherum schützen, für die sich verteidigende, wie auch für die angreifende Seite?

Um diese Fragen zu beantworten, müssen also die Wissenschaften kleine wie große Techniken erfinden und entwickeln die das Leben schützen können. Die Politik muss sie dabei unterstützen, ohne eine lebensgefährliche Militarisierung zu erzwingen. Dazu gehört auch eine strukturierte und strukturierende Organisation, sprich ein Verteidigungsministerium. Also kommen wird nicht daran vorbei da genauer reinzuschauen.

Der riesige Apparat

Dem Verteidigungsministerium stehen inzwischen gehörige Etas für die nächsten Jahre zur Verfügung, daran wird die Zeitenwende wohl nicht scheitern. Das Personalproblem ist inzwischen nicht mehr so dringend wie manche andererseits argumentieren, um mit dem Zwang zur Waffe zu appellieren oder gar vehement zu fordern, wie der SPDler Hans-Peter Bartels[5].  Wie wäre es denn mal damit das Diskriminierungsrisiko für Frauen wenigstens deutlich zu reduzieren, oder einfach mal die Beweggründe des Abbruchs (ca. 1/4) anonymisiert in statistisch verwertbare Daten zu erfassen[6]?! Oder die EU-weite Standardisierung, wie es auch Bartels fordert, zu forcieren, um damit auch die überbordende Vorschriften-Bürokratie einzudämmen.

Und wenn wir über das Personal sprechen, sollte der allzu üppige Offiziersapparat nicht aus Acht gelassen werden. Selbst der Bundesrechnungshof moniert, dass das Verteidigungsministerium zu üppig ist, die Hälfte der Stellen könne reichen. Diese Reduktion müsste erst der Anfang sein, da laut dem Militärhistoriker Neitzel lediglich die Hälfte des Militärpersonals im Bereich der direkten Auftragserfüllung ist[7].

Kosten könnten dadurch eingespart werden, um sie im gleichen Ministerium sinnvoller zu investieren für Maßnahmen gegen Diskriminierung, für umfangreichere und somit längere Ausbildung, mit bester Ausrüstung. Das käme den alten und neuen Soldatinnen zugute. In diesem Jahr wurden fast 14.000 neues militärisches Personal eingestellt (+ 28% gegenüber Vorjahr, im Bereich freiwilliger Wehrdienst + 15%). Insgesamt sind es aktuell ca. 260.000 Menschen im Militär, wovon im rein militärischen Bereich (Dienst in Uniform) ca. 182.000[8]. Aber, wie wir wissen, sind davon nur ca. 50% Soldat*innen im Bereich Dienst mit der Waffe für aktive Handlungen, also etwa 90.000. Was sie brauchen, sind besser Verteidigungswaffen.

Wehr-Technologie – nicht mehr alles ist SciFi

Zur Verteidigung gehören auch, vor dem Hintergrund eines Drohnen-Krieges, uns vor Drohnen (Bomben abwerfen, Menschen gezielt töten) zu schützen. Der Gepard-Panzer kann das, und macht das aktiv in Ukraine[9]. Doch er wurde 2010 aus der Nutzung genommen unter Karl Theodor Guttenberg, CDU. Das war offensichtlich eine fatale Fehlentscheidung mit nachteiligen Konsequenzen.

Da ist Spahn nichts neues. Egal.

Eine Neuentwicklung stellt der Skyranger 35 von Rheinmetall dar, die als Version 30 erst 2026 bei der Bundeswehr ankommen sollen, mit 19 Stück[10]. Und das als Radpanzer, der weniger agil auf schwierigem Gelände fährt als der Gepard. Um vor tödlichen Drohnen zu schützen, sollte dieser wieder produziert werden.

SciFi-Technologien werden zunehmend zur neuen Realität (KI, Roboter, Railguns,). Die Wissenschaften in diesem Bereich haben also noch viel zu tun. Und bevor Railguns oder Laser als Waffen im kleineren Maßstab genutzt werden können, werden wohl noch Jahre verstreichen, Jahre, die uns nicht mehr bleiben, weil die Debatten – angestoßen von der notwendigen „Zeitenwende“ – zu spät angefangen wurden. Zeit vergeht auch durch die Wehrpflicht-Debatte. Die Kasernen sind dafür noch nicht da, das für lebensfeindliche Strategien notwendige Personal kann nicht auf die Schnelle ausgebildet werden, auch, weil die technologische Komplexität zugenommen hat.  Das dauert alles.

Daher muss im Bereich Robotik und KI geforscht werden, damit Kriege, sobald ihre Verhinderung durch Diplomatie gescheitert ist, deeskaliert werden. Es sollten Techniken entwickelt werden, um die angreifenden Soldatin*en irgendwie zu sedieren. Und es sollten Panzer zur Verfügung stehen, die das Leben gegen Raketen, Bomben und Drohnen schützen. Da müssen wir von Israels Iron Dome lernen.

Fehlen nur noch die Panzer. Gegen die dürfen wir nicht unsere Mitbürger*innen ankämpfen lassen. Denkt euch was aus. Die kreativen Menschen im Technikbereich (Forschung und Entwicklung) sind jetzt hier gefragt, ebenso die Politiker*innen um die Bürokratie (Vorschriften, Personal) effektiver zu gestalten.



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