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Russlands Griff auf NATO-Gewässer und seine Bündnispolitik


Was will Russland eigentlich in der Ukraine? Setzen wir hierfür kurz die politikwissenschaftliche Brille des Neorealismus auf. Russland, so nach den Kernthesen dieser Theorie, will sein Macht vergrößern und relative Gewinne erzielen. In dieser Theorie geht man grundsätzlich davon aus, dass die Welt eine Anarchie sei, und die Staaten als ultimativer Referenzpunkt für Erhaltung oder Vergrößerung der Macht anstreben, unter Verwendung verschiedener Ressourcen (militärisch, wirtschaftlich, kulturell). Auf alle diese Ebenen versucht Russland das.

Russlands Ressourcen

Kulturell um Menschen mit anti-westlichen Weltanschauung an sein Land zu binden. Mit Putins Verbrüderung mit der Kirche, der politischen und juristischen Verfolgung oppositioneller Journalist*innen, Politiker*innen, Ex-Geheimagenten oder geflohenen Oligarchen hat Putins Russland kulturell und politisch reaktionäre bzw. orthodoxe Frauen- und Männerbilder, so wie das Parlament und die Medien im Griff.

Wirtschaftlich v.a. mit seinen Ressourcen-Deal. Dieses Machtinstrument ist aber bereits durch die Sanktionen und die OECD+ eingeschränkt. Die OECD-Produktion soll steigen, und die trump’sche Erpressungspolitik zwingt u.a. Indien, die Deals mit Russland einzustellen[1].

Militärisch –dass sehen wir ja in Ukraine, und davor war es in Georgien mit Abchasien bzw. dem Kaukasus-Krieg 2008 zu sehen. Im Detail hat Russland in der südlichen und östlichen Ukraine bereits Gebiete erobert bzw., annektiert. Der genaue Verlauf ist bei der NZZ zu sehen[2].

Russlands Gewinne

In der internen Kritik zum Neorealismus, definierte John J. Mearsheimer den offensiven Realismus Staaten als expansionistisch und revisionistisch. Das dies nicht auf alle Staaten zutrifft, ist offensichtlich. Gleichwohl expandiert die NATO wegen Russlands Expansionismus, der konkret seit 3,5 Jahren in der Ukraine ungesetzt wird. Russland will so viel von den post-sowjetischen Staaten zurück, wie möglich. Falls der ukrainische Präsident doch Gebietsabtretungen völkerrechtlich sauber zustimmt, dann hätte Russland (völkerrechtlich) relative Gewinne an Gebieten erzielt. Auch in Abchasien hat er Gewinn erzielt; de jure gehört Abchasien zu Georgien, jedoch de facto zu Russland. In Otschamtschire befindet sich ein alter Militärhafen aus sowjetischen Zeiten, und steht Putin zur Verfügung. Seit 2024 – so zeigen es Satellitenbilder – baut Russland den Militärhafen aus[3].

Russlands Schwarzmeerflotte

Damit würde Russlands Schwarzmeerflotte gestärkt und vergrößert werden können. Bereits durch die Annexion der Krim hat Russland sein Hauptquartier in Sewastopol eingerichtet. Mit den bisherigen Marine-Häfen Sewastopol und Feodossija auf der Krim Halbinsel[4] sowie Noworossijsk (Festland, Region Krasnodar, Russland)[5] kommt ein vierter Militärhafen dazu. Dorthin wurde ein Teil der Schwarzmeerflotte, von der Halbinsel Krim abgezogen, geschifft. Dort will Russland seine Flotte wieder aufbauen.

Ob die Staatengemeinschaft – die EU, USA, andere – verhindern können, bleibt offen. Schauen wir aber zu dem NATO-Staat Türkei, der ist für den Bosporus zuständig, und gem. dem Vertrag von Montreux dürfen in Kriegszeiten keine Kriegsschiffe durch die Meerenge.  Russland bleibt damit während des Krieges der Zugriff auf das Mittelmeer verwehrt. Zwar wären Heimfahrten möglich, jedoch dürfen die Kriegsschiffe grundsätzlich nicht über 15.000 Gesamttonnen übersteigen (Ausnahmen möglich, aber da muss die Türkei erstmal zustimmen)[6].

Was will Russland?

Die Militärhäfen der Schwarzmeerflotte sollen vermutlich mindestens der militärischen Kontrolle des Schwarzen Meeres dienen. Jedoch stehen dem die EU-Anrainer Rumänien, Bulgarien und Griechenland entgegen, die auch NATO-Mitglieder sind, wie das NATO-Mitglied Türkei. Zumal letzterer Staat den Drohnenkrieg auf ein neues marines Level gebracht hat, mit der TALAY-Drohne[7].

Die Ukraine hat es vorgemacht, und mit Drohnenangriffen russische Kriegsschiff beschädigt oder versenkt. Doch mit der TALAY-Drohne ist die Erkennung nicht möglich, weil sie unter noch üblichen Radargrenzen fliegt: nur drei Meter über dem Meeresspiegel. Damit wären Russlands potenziellen Ambitionen mit seiner Schwarzmeerflotte - so sehr er sie auch wieder aufbauen will – bereits jetzt eingefangen. Der militärische Zugriff auf das teilweise NATO-Gewässer Mittelmeer ist Russland sicherlich kaum möglich, und der Zugriff auf den Atlantik erst recht nicht.

Jedoch hätte Russland noch theoretisch die Möglichkeit über die Ostsee (Baltische See) militärische Zugriffsmöglichkeiten. Jedoch steht das militärische Eskalationspotenzial den dortigen Anrainern auf der sicherheitspolitischen Agenda[8]. Es sollen u.a. über und unter Wasser die Sensorik ausgebaut werden, und die zivilen Bereiche (Ölplattformen, Windparks) in der Ostsee zur militärischen Beobachtung eingesetzt werden[9], und mittels Mittelstreckenraketen - so die Forderung aus dem SWP-Paper[10].

So sehr Russland in der Ukraine wütet und seine militärischen Kapazitäten zu erhöhen versucht, schränken die Sanktionen und der niedrige Öl-Preis diese Möglichkeiten ein, vielleicht sogar erheblich. Dass Russland sogar im Weltall nuklear die Welt bedroht, u.a. mit „ein[em] nuklearen Antisatellitenprogramm“[11], das direkte Raketenangriffe auf Satelliten, Signalstörung und Blendlaser beinhaltet, zeigt überdeutlich, dass die EU und die NATO sicherheitspolitisch weiterdenken muss. Und erwägen sollte, die Sanktionen zu erweitern und zu vertiefen, damit Russland die außer-terrestrischen Ambitionen nicht umsetzten kann.

Prognose: Russlands Bündnispolitik - bipolare Weltordnung

Kommen wir zurück zum Neorealismus – dem mit Russland ein empirisches Beispiel hinzugefügt wurde. Die interne Kritik der Allianztheorie[12] lenkt den Fokus auf das Bilden von Allianzen bzw. Bündnissen, um die Beute zu teilen, um anderen Großmächte oder den Hegemon (USA) sich entgegenzustellen. Zumindest, so die Theorie, nicht dem stärksten, sondern dem bedrohlichsten Hegemon bzw. der Großmacht.  Der Theorie des Neorealismus nach sucht jeder Staat nach Balance – intern durch Aufrüstung und extern durch Bündnisbildung. Dass China als Großmacht dem Hegemon USA den Rang ablaufen will ist offensichtlich, oder, Russland sucht mit China (und andersherum) mit dem Bündnis bzw. einer militärischen und wirtschaftlichen Allianz eine bipolare Ordnung aufzubauen. Putin streitet ab, dass es eine militärische Zusammenarbeit gibt[13], zwar behauptet Xi, dass mit Russland eine „multipolare Weltordnung“[14] gestaltet werden soll, und doch wurde das 75. Chinesisch-sowjetische Vertrag zu Freundschaft, Bündnis und gegenseitigen Beistand gefeiert[15]. Wir sollten nicht so naiv sein, dass die Beistandshilfe nur wirtschaftlich gemeint sein könnte.

Die multipolare Ordnung würde sicherlich auch den BRICS-Mitgliedern wie Brasilien, Indien und Süd-Afrika besser schmecken als eine bipolare Weltordnung. Doch, so naiv sind wir nicht. Und Brasilien und Indien und Süd-Afrika sind es hoffentlich auch nicht. Es geht wohl, dem geopolitischen Willen von China und Russland nach, um eine bipolare Weltordnung: ein autokratischer und kapitalistischer Pol auf der einen Seite, und demokratischer und kapitalistischer Pol auf der anderen Seite. Das kann auch in Form von Allianzen gebildet werden. Aber hält das China-Russland-Bündnis überhaupt der 2. Trump-Regierung stand? Eine Frage, die gestellt werden muss, auch vor dem Hintergrund der NATO, ihrer Beständigkeit, und wie sie von Russland und China herausgefordert wird. Und damit auch die Anzweiflung und Herausforderung der monopolaren Weltordnung des Hegemon USA, mit seinen Verbündeten, und der, von den USA ökonomisch-kulturell dominierten, internationalen Organisationen.



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